Sitzung 06. Dezember 2018

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Sitzung vom 06. Dezember 2018

Rede zum Haushalt 2019 (TOP 8)


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Ratsmitglieder,

sehr geehrte Zuhörer,


in der städtischen Pressemitteilung vom 27.9.2018 zur Einbringung des Haushalts 2019 haben Sie, Herr Weeke, als Kämmerer als wichtigsten Maßstab genannt:

„Wir halten die schwarze Null. Dazu ist es nötig, im Spareifer nicht nachzulassen.“

Mit anderen Worten: weiterhin Ausgaben reduzieren, mehr aus den Bürgern herauspressen, um keine weiteren Schulden zu machen.

Dazu ist die Stadt von der Bezirksregierung mit dem sogenannten „Stärkungspakt“ regelrecht erpresst worden.

SOLINGEN AKTIV legt einen anderen Maßstab an:

Was brauchen die normalen Solingerinnen und Solinger?

Sie, Herr Lange, haben zu vielen von CDU, SPD, FDP und BFS im Finanzausschuss abgelehnten Anträgen der Grünen gesagt:

„Vieles klingt ja vernünftig…, aber wir können es uns nicht leisten, so viel Geld auszugeben.“

Aber warum sollen wir eigentlich etwas „Vernünftiges“ nicht beschließen können?

Die kommunalen Finanzen stammen zum größeren Teil aus den Landesfinanzen, zum Teil auch aus Bundeszuschüssen. Und Bund und Land geht es zur Zeit finanziell sehr gut:

Der Bund erwirtschaftete im 1. Halbjahr 2019 einen Überschuss von 48 Mrd.€.. Und die Länder bis Ende September 20 Mrd. €. NRW hat knapp 700 Millionen € plus.

Diese Überschüsse sind Ergebnis einer verstärkten Umverteilung von unten nach oben – und damit auch von den Kommunen zu Land und Bund:

Herr Weeke beklagte zu recht: 44 Millionen Euro muss die Stadt Solingen pro Jahr mehr aufwenden, weil Bund und Land Gesetze zur Lösung gesamtgesellschaftlicher Probleme beschließen, deren Finanzierung sie aber den Kommunen aufbürden.

Und um 8,4 Millionen verringert das Land 2019 seine Zuschüsse an Solingen aus dem Stärkungspakt…

Warum sollen wir uns dieser Logik der Ausplünderung der Kommunen unterwerfen, während anderswo mit Milliarden um sich geschmissen wird?

Ich denke nur an die Milliarden Steuergelder, die die Bundesregierung beim Diesel-Gipfel den Kommunen zugesagt hat. Warum werden nicht entsprechend dem Ver-ursacherprinzip endlich die verbrecherischen Autokonzerne mit Hardware-Nachrüstung für ihren Diesel-Skandal zur Kasse gebeten?

Oder: Warum stockt die GroKo den Verteidigungshaushalt des Bundes um 4 Milli-arden auf, während sie die Kommunen verarmen läßt?

Alle Ratsparteien fügen sich diesen angeblich alternativlosen Zwängen - – bis auf Die Linke und SOLINGEN AKTIV.

Die Solinger Presse rühmt diese Einheit der etablierten Parteien. Und sie erweckt zugleich den Eindruck, dass „die Politik die Stadt zurückpfeift“, nur weil geringe Verschiebungen vereinbart wurden – aber natürlich ganz brav im Rahmen des Sparhaushalts. Zugleich begrüßt  die Presse mehr oder weniger, dass alle Anträge der Grünen oder der Linken, die sich in diesem Einheitsbrei nicht unterrühren ließen, abgelehnt wurden. Die Anträge von SOLINGEN AKTIV werden nicht einmal erwähnt.

Für Herrn Tews vom “Tageblatt“ scheint es schon das höchste der Gefühle zu sein, dass es ein „Etat ohne Grausamkeiten“ ist.  Es stimmt: Grausamkeiten enthält er nicht. Aber sollen wir uns mit diesem Maßstab zufrieden geben: ‚Solange es keine Grausamkeiten gibt, dann müssen wir uns eben bescheiden?‘ Ich wäre ein sehr schlechter Vater meiner Söhne und schlechter Bürger, wenn ich ihnen diesen Maßstab an mich, an unsere Stadt, an unsere Gesellschaft vermitteln würde.


Und der Haushalt enthält ja durchaus auch Positives, was wir begrüßen:

Unter dem richtigen Motto „Investieren, um zu sparen“ Investitionen in Schulen, Feuerwehr, Straßenbau. Z.B. freue ich mich persönlich auch für meinen Sohn über eine sanierte Schultoilette an der Sekundarschule Central.

Investitionen in die Digitalisierung.

Eine zusätzliche Ganztagsgrundschule und 7 neuen OGS-Gruppen.

Mehr Kreisverkehre…

Den Kauf von weiteren 16 BOB‘s durch die Stadtwerke…


Jedoch wird mit diesen durchaus gut gemeinten Fortschritten von der Verwaltung und fast allen Ratsfraktionen verschleiert, welche Zumutungen dieser Haushalt für die Masse der normalen Solinger Bürger bringt:

5,5 Millionen werden über die Erhöhung der Grundsteuer B pro Jahr aus uns rausgeholt – v.a. über die Mietnebenkosten.

Beim städtischen Personal sollen 10 Jahre lang weitere 100 Stellen pro Jahr abgebaut, über 1,5 Mio. € eingespart und die Arbeit enorm verdichtet wer-den. Aber jetzt schon werden manche Pflichtleistungen verspätet oder schlecht erbracht (z.B. Unterhaltszahlungen). Wie kann bei nur 25 einge-planten städtischen Azubis bei diesem Aderlass die Zukunft der städtischen Dienstleistung gewährleistet werden?

Trotz neu beschlossener OGS-Gruppen wird es weiterhin für zig Grundschul-kinder und ihre Eltern kein Ganztagsangebot geben. Das räumliche, fachliche und finanzielle Angebot am Offenen Ganztag (OGS) bleibt unzureichend. Land und Stadt zahlen den Trägern unter Tarif. Ein schleichendes Ausbluten des OGS ist zu befürchten.

Bei den Hilfen zur Erziehung sollen 1,5 Mio. € eingespart werden.

Einrichtungen der offenen Jugendhilfe sind weiterhin unterfinanziert. Schließungen drohen auf Sicht.

Beim ÖPNV sollen weiterhin ca .600 000 € pro Jahr eingespart werden. Die Stadtwerke sind stolz, die vom Stadtrat aufgezwungene Deckelung des De-fizits auf 9 Mio. Euro auch 2019 erreichen zu können.


Einsparungen auf Kosten der Reichen können wir allerdings nirgendwo feststellen!

SOLINGEN AKTIV ist mit dieser Logik absolut nicht einverstanden! Wir wollen Verbesserungen, die nötig und möglich sind!


Daher unterstützen wir auch entsprechende Forderungen der Linken oder auch der Grünen.


Was brauchen wir?

Wir brauchen eine lebenswerte ökologisch arbeitende Stadt, die daran ar-beitet, Ihre Umwelt und  Ihr Klima zu verbessern. Die Nachhaltigkeitstrategie muss ambitioniert verfolgt und nicht unter dem Finanzierungsvorbehalt kastriert werden!

Dazu muss die Deckelung des ÖPNV-Haushalts aufgehoben werden und viel intensiver an einem sauberen elektrischen Busverkehr gearbeitet wer-den. Und zwar nicht mit angezogener Handbremse. Lassen sie uns doch für die weiteren Generationen umweltpolitisch revolutionär denken. Lassen sie uns doch noch mal den fahrscheinfreien öffentlichen Nahverkehr mit unseren BOBS anstreben. Stecken wir den Erlös der RWE-Aktien in saubere Energie in unseren Ausbau des ÖPNV! Nur dann ist das Ziel aus dem „Nachhaltigkeits-konzept“ erreichbar und nicht nur Makulatur: „Der Anteil des Öffentlichen Nahverkehrs… ist von 15 % im Jahr 2015 auf 20 % im Jahr 2025 und 30 % im Jahr 2030 gestiegen. Der ÖPNV wird im Straßenverkehr bevorrechtigt. Das ÖPNV-Angebot ist optimiert und deckt die Bedürfnisse aller Nutzergruppen umfassend ab.“

Wir brauchen einen Ausbau der präventiven Maßnahmen im sozialen und Jugendbereich anstatt mehr Ordnungsdienst!

Wir brauchen mehr Gelder für die Einrichtungen der offenen Jugendhilfe. Drohende Schließungen durch Unterfinanzierung wie z.B beim Rollhaus müssen verhindert werden!

Kurzfristig brauchen wir bedarfsdeckende OGS-Gruppen mit ausreichend Räumen, Personal, fachlicher Qualifikation und tariflicher Bezahlung. Statt der erwiesenen Mogelpackung OGS muss das Ziel aber ein gebundener Ganztag an allen Schulen sein.

Wir brauchen bei der Stadtverwaltung und in der Privatindustrie eine be-sondere Anstrengung für mehr Ausbildungsplätze!

Und schließlich unterstützen wir den Vorschlag einer kommunalen  Wohnungsbaugesellschaft, um den wachsenden Bedarf an preiswertem Wohnraum zu decken!


Jetzt werden alle jammern oder spotten: Das ist doch nicht finanzierbar!

Ist es aber!


Als erstes brauchen wir eine Zins- und Schuldentilgung bei den Banken und Sparkassen in Verbindung mit einer Altschuldenregelung für die finanzschwachen Kommunen. Dafür müssen die finanzschwachen Kommunen kämpfen. Nicht nur bei Verhandlungen in Berlin – sondern parteiübergreifend  auch auf der Straße. Mobilisieren wir die Stadtbevölkerung dazu! Wir sind dabei!


Als zweites brauchen wir aber auch Einsparungen im kommunalen Haushalt zu Lasten deren, die mehr Lasten tragen können:

Eine Erhöhung der Gewerbesteuer auf das Niveau von Remscheid und Wuppertal würde 3 bis 5 Millionen mehr einbringen.

Die Abführung von 50 % des Gewinns der Sparkasse als städtischer Tochter würde 1 Mio. mehr ergeben.

Einsparungen bei Gutachten könnten hundertausende Euro erbringen!

Und schließlich fordern wir wie seit Jahren, dass auch die Fraktionen, die heute viele Einsparungen für die Bürger beschließen, mit gutem Beispiel vorangehen und nicht Wasser predigen und Wein trinken: Sie haben ihre Bezüge von 2015 bis 2019 um knapp 174 000 Euro auf 760 000 € erhöht – also um 30 %. Wir schlagen eine Deckelung der Ratskosten auf 500 000 € vor.


Am Wochenende war ich in der Stadt und habe unseren Flyer zum Haushalt an Passanten verteilt. Die Lebensgrundlagen und der Haushalt unserer Stadt interessierten viele Menschen. Gleichzeitig sind viele resigniert und sagen: „Was soll man denn machen?“

Mit Ihrem – wie zu erwarten ist -  mit großer Mehrheit gefassten Beschluss für diesen Haushalt als angeblich alternativlos werden Sie diese resignative  Haltung und die Politikverdrossenheit stärken! Auch wenn Sie das vielleicht nicht wollen.


SOLINGEN AKTIV unterwirft sich nicht diesen Sachzwängen einer kapitalistischen Ausplünderung und Erpressung der Kommunen mit ihrer kommunalen Daseinsfürsorge.

Wir stimmen daher gegen diesen Haushalt.

Und wir werden weiterhin die Bürger ermutigen, für ihre Interessen aktiv einzutreten – im Rat und außerhalb!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Anträge

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